[27.07.2008]
Auf Wanderschaft - unsere Tour im Westen - Juli 2008
In diesem Jahr war es soweit: Wir haben unsere erste Tournee in die gebrauchten Bundesländer unternommen. "Auf Wanderschaft" haben wir das Unternehmen betitelt, weil wir ernsthaft testen wollten, ob man von unserer (Art) Straßenmusik überleben kann. Wir nutzten das Auto als Fortbewegungsmittel, um die Distanzen in der kurzen Zeit zu bewältigen, und zugleich als Schlafplatz, um das Geld, welches wir für Diesel ausgeben, bei der Übernachtung zu sparen.
Wir haben Tagebuch geführt und wer Muse hat, kann unsere Tour ausführlich nachvollziehen. Für Eilige haben wir unser Fazit am Ende des Textes. Und schließlich gibt es für Musikanten, die es uns nachtun wollen, einige wohlmeinende Ratschläge und Tipps.
So. Und nun viel Spaß bei der Lektüre.
Tagebuch:
Voller Tatendrang erkunden wir das Terrain der Altstadt nach geeigneten Plätzchen und müssen feststellen, dass die schönsten bereits durch andere Musikanten besetzt sind. Gegen Fünf lassen wir uns direkt am Alten Rathaus auf der Brücke zur Inselstadt nieder und fangen an zu musizieren. Nichts geschieht. Etwas ratlos und manchmal auch mitleidig dreinblickende Passanten und wenn jemand doch stehen bleibt, fühlt er sich schnell deplaziert und trollt sich. Touristen scheinen ganz zu fehlen. Mit den Eindrücken von Rudolstadt im Hinterkopf sind wir einigermaßen frustriert und suchen nach einem neuen Plätzchen. Da ist das Ergebnis auch nicht besser und wir zählen ganze 7 Euro 55 im Hut. Wirtschaftlich betrachtet ein völlig desaströser Start. So schön Bamberg auch sein mag: am späten Nachmittag in der Woche ist die Stadt keine Empfehlung für Straßenmusikanten. In Bad Windsheim gibt´s ein Trostbierchen und da es zu dämmern beginnt, suchen wir uns einen Schlafplatz. Auf einem Weg zwischen Kornfeldern schlagen wir unser Lager auf, ernähren uns bescheiden und versuchen schließlich, zu zweit im Auto Platz zu finden. Das funktioniert aber nicht, also schnappt sich Frank die Luftmatratze und legt sich ins Feld. Wir hatten uns den ersten Tag anders vorstellt.
In Würzburg kommen wir gegen 16.00 Uhr an und finden zunächst keine Stelle, die uns wirklich gefällt. Der Ober- und Untermarkt sind zwar voller Menschen, das Ambiente jedoch ist laut und für unsere akustische Musik nicht geeignet. Eine nette Zeitungsverkäuferin empfiehlt uns die alte Brücke zum Dom. Auf der finden wir ein kleines Kneipchen mit Blick auf den Main und den Dom und beschließen, dass dies unsere Würzburger Bühne sein soll. Der Wirt hat nichts gegen Musik, die Gäste anlockt, also dürfen wir auch spielen. Die Resonanz ist bei den ersten Titeln dürftig, irgendwie brauchen die Leute immer eine gewisse Zeit, um sich einzulassen. Dann aber bleiben doch einige stehen, das Kneipchen füllt sich und unser Hut auch in Maßen. Wir müssen unser Programm zwangsweise unterbrechen, als eine Wespe Micha erfolgreich attackiert. Zwiebelsaft aus der Küche hilft und wir spielen bis gegen sechs. Da die Sonne scheint und unsere Kehlen brennen, müssen wir den Durst mit einem kühlen Bierchen stillen und nutzen die Gelegenheit, unsere daheim gebliebene Wetter-Fee Ulli zu befragen, wohin uns Petrus am nächsten Tag schickt. Petrus ist ambivalent, also beschließen wir, unserer geplanten Route rückwärts zu folgen. Wir schaffen es gerade so, um kurz vor acht bei Lidl noch Verpflegung zu fassen, und und verlassen Würzburg in Richtung Wertheim. Dort finden wir einen lauschigen Birkenhain mit Blick ins Tal. Aus den Erfahrungen der ersten Nacht haben wir gelernt, also bauen wir auch unser Zelt auf, damit der lange Frank sich ausstrecken kann. Bei der Hutzählung stellt sich heraus, dass wir den Verlust vom Vortag wieder eingespielt haben und sogar über eine kleine Reserve verfügen und sind mit unserem Tagwerk zufrieden.
Limburg kannten wir schon von unserem Besuch bei der Sängervereinigung Bleidenstadt, also konnten wir uns einigermaßen zielgerichtet am oberen Ende des Marktplatzes niederlassen. Bis 14.00 Uhr musizieren wir vor ordentlich Laufpublikum, aber im Hut passiert nicht all zuviel. Also setzen wir um in die Einkaufspassage. Dort sind keine Touristen zu finden, sondern Limburger und Randlimburger, welche uns auf eine Art anschauen, die an jedem Ego kratzt. Der gegenüberliegende Juwelier schließt flugs die bis dahin offene Tür und wir brauchen wieder drei Lieder, um die Leute aus der Reserve zu locken. Aber es funktioniert: der Juwelier öffnet wieder seine Tür, die Inhaberin des Blumengeschäfts schmeißt Münzen in den Hut und freut sich offen über unsere Musik und so langsam kriegen wir auch die Limburger. Fazit: Schwerstarbeit mit mäßigem Erfolg.
Also weiter nach Frankfurt am Main. Was für ein Kontrast: von Limburgs Beschaulichkeit in die Bankenmetropole Deutschlands. Wenn man vor den Baugiganten der Banken steht kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier nur um die Frage geht, wer den Längsten hat... nun denn. Wir erwischen einen einheimischen Opa, der uns sehr beflissen Auskunft gibt, wo man das alte Frankfurt findet und es sich lohnt, Musik zu machen. Natürlich auf dem Römer! Von der Mitte des Platzes besingen wir Einheimische und Touristen und werden in unzumutbar-japanischer Art reihenweise fotografiert. So etwas kannten wir bisher noch gar nicht und auch wenn es anfänglich noch amüsiert, nervt es einen irgendwann. Wir beschließen deshalb, uns zukünftig mit Hinweisschildern auf Japanisch auszurüsten, auf denen die Staffel-Preise für jegliche Art Fotos (5 Euro aufwärts!) ausgewiesen sind. Wir verkaufen unsere Erste ZehDeh erstmals ins Ausland: eine englische Familie bekennt glaubhaft, dass sie unsere Musik mag. Vom Römer aus ziehen wir weiter zur Zeil, wo wir direkt vor einem Kaufhaus musizieren. Bis dahin der unromantischste Ort unserer Tour, und der sollte es auch bleiben.
Wieder schaffen wir es erst kurz vor Ladenschluss, uns mit Speis und Trank zu versorgen. Rein wirtschaftlich endet der Tag für uns schlechter, als er begonnen hat. Die Reserven sind aufgebraucht; uns bleiben gerade mal 4 Euro. Am Waldrand in der Nähe von Fischbach schlagen wir unser Nachtlager auf und fallen mit einem Kopf voller Eindrücke um.
Was uns bei der Suche nach geeigneten Plätzen zuerst auffällt, ist der sportlicher Wettbewerb zwischen den Straßenmusikanten. Jeder versucht, das beste Plätzchen zu erwischen und notfalls wird schon mal am Pegel gedreht, um die Konkurrenz zu verscheuchen. Aber diesen Druck halten unsere Instrumente und Stimmen für gewöhnlich aus. Zu schaffen macht uns lediglich der immer wieder mal einsetzende Regen, da die "wasserdichten" Plätze rar sind. Auf unserer Tour durch die Altstadt gelangen wir schließlich zum Burgplatz, wo wir uns vor einem leer stehenden Geschäft niederlassen, dessen ehemaliger Eingang unsere Instrumente vor Regen schützten kann. Also ein idealer Platz für Wechselwetter. Es gibt hier auch keine störenden Mitmusikanten, lediglich ein Kunde liegt zwei Eingänge neben uns und ist damit beschäftigt, einen Einkaufswagen voller Bier zu vernichten, wobei er sein Tun für die vorbeilaufenden Passanten gelegentlich laut kommentiert. Aber auf die Entfernung stört uns das wenig. Wir schmettern los und schon kommt unser bierseliger Nachbar mit seinem Einkaufswagen zu uns kuscheln. Was für ein Bild: wir biederen Freizeitmusikanten singen alte Kundenlieder, derweil neben uns das wirkliche Leben stattfindet. Die paradoxe Situation erreicht ihren Höhepunkt, als unser Kunde etwas Silbergeld in den Hut wirft, bevor er sich direkt neben uns häuslich niederlässt und in einem Affentempo seine Biervorräte schrumpfen lässt. Da erblassen selbst wir als ausgesprochene Bierliebhaber. Die Passanten werden schnell zum Publikum, aus wenigen wird eine Menschentraube und das ganze Szenario ist für die Zuhörer wahrscheinlich unheimlich amüsant.
Nach einer halben Stunden trollt sich unser Kunde, weil die Münzen des Publikums in unserem Hut landen und nicht bei ihm. Die Zuhörer bleiben, sind überaus sangesfreudig und wohlwollend. Weil man ein funktionierendes System nicht wechseln soll, bleiben wir an dem Fleckchen, bis uns ein gigantischer Umzug von Schützenvereinlern zu Pferde und auf Socken vertreibt. Schlussendlich spielen wir ein letztes mal in der Wallstraße vor einer schönen alten Gaslaterne und haben auch da viele und nette Zuhörer. Gegen 19.00 Uhr tritt die Prophezeiung des Wirts ein: der Lärm nimmt Ausmaße an, die akustische Musik unmöglich machen. Also suchen wir uns eine kleine Pizzeria, da es heute mal kein Essen aus dem SB-Markt geben soll, vielmehr laben wir uns an einer Steinofenpizza und einem kühlen Bier. So langsam sackt der ganze Tag und wir stellen fest, dass wir zwar ordentlich verdient, aber dafür auch schwer geackert haben.
Wir sehen zu, dass wir aus dem Hexenkessel der Düsseldorfer Altstadt rauskommen, versorgen uns noch mit flüssiger Nahrung und flüchten an die Rheinauen, wo wir nahe Delhofen im Tannenbusch bei einem Waldgasthaus Unterschlupf finden. Als wir zur Ruhe kommen und den Tag auswerten und nachklingen lassen, tönt aus dem Wald unheimliches Geräusch. Wir wissen nicht, was da wohnt, aber solche tierischen Laute haben wir noch nie gehört. Aber da auch das unbekannte Wesen irgendwann einschläft und Ruhe gibt, grunzen wir tief und fest bis zum Morgen.
Rein wirtschaftlich betrachtet: Wären wir gelaufen oder irgendwo mitgefahren, hätten wir von unserer Musik gut leben können. Ohne Diesel war die Sache ein Null-Summen-Spiel, wobei sich die Ausgaben in folgender Reihenfolge staffeln:
1. Bier
2. Parken
3. Essen
4. Hygiene.
Hier noch einige Zahlen: Wir sind 1818 Kilometer gefahren, haben in sechs Städten ca. 8 Stunden musiziert und mussten je Tag zwei Stunden für unseren Lebensunterhalt arbeiten.
Wir haben zwar nur vier Tage als Wandermusikanten gelebt, wollen aber trotzdem unsere Erfahrungen an evtl. Nachahmer weitergeben, damit Ihr nicht die selben Fehler macht. Also hier
Wir haben Tagebuch geführt und wer Muse hat, kann unsere Tour ausführlich nachvollziehen. Für Eilige haben wir unser Fazit am Ende des Textes. Und schließlich gibt es für Musikanten, die es uns nachtun wollen, einige wohlmeinende Ratschläge und Tipps.
So. Und nun viel Spaß bei der Lektüre.
Tagebuch:
Mittwoch, 09.07.2008
10.30 Uhr (wie immer mit Verspätung) starten wir in Dresden und fahren zunächst in den vogtländischen Musikwinkel nach Klingenthal, um Michas kleine neue Quetschkommode frisch gestimmt bei Meister Hoyer abzuholen. Auf fast 900 Meter Höhe könnte man meinen, dass es gleich zu schneien beginnt und wir verlieren fast unseren Optimismus. Da der Süden besseres Wetter verspricht, drehen wir unseren Plan kurz entschlossen um und machen uns auf den Weg nach Bamberg, wo wir gegen 16.00 Uhr landen.Voller Tatendrang erkunden wir das Terrain der Altstadt nach geeigneten Plätzchen und müssen feststellen, dass die schönsten bereits durch andere Musikanten besetzt sind. Gegen Fünf lassen wir uns direkt am Alten Rathaus auf der Brücke zur Inselstadt nieder und fangen an zu musizieren. Nichts geschieht. Etwas ratlos und manchmal auch mitleidig dreinblickende Passanten und wenn jemand doch stehen bleibt, fühlt er sich schnell deplaziert und trollt sich. Touristen scheinen ganz zu fehlen. Mit den Eindrücken von Rudolstadt im Hinterkopf sind wir einigermaßen frustriert und suchen nach einem neuen Plätzchen. Da ist das Ergebnis auch nicht besser und wir zählen ganze 7 Euro 55 im Hut. Wirtschaftlich betrachtet ein völlig desaströser Start. So schön Bamberg auch sein mag: am späten Nachmittag in der Woche ist die Stadt keine Empfehlung für Straßenmusikanten. In Bad Windsheim gibt´s ein Trostbierchen und da es zu dämmern beginnt, suchen wir uns einen Schlafplatz. Auf einem Weg zwischen Kornfeldern schlagen wir unser Lager auf, ernähren uns bescheiden und versuchen schließlich, zu zweit im Auto Platz zu finden. Das funktioniert aber nicht, also schnappt sich Frank die Luftmatratze und legt sich ins Feld. Wir hatten uns den ersten Tag anders vorstellt.
Donnerstag, 10.07.2008
Nach der etwas unruhigen Nacht schlafen wir ein bisschen länger und sind deshalb erst gegen elf im schönen Rothenburg ob der Tauber. Bevor wir ans Musizieren denken können, brauchen wir erstmal einen Kaffee und was zu Beißen, also ab zum nächsten Bäcker. Die Stadt wirkt bis auf einige versprengte Japaner verschlafen und wir können uns in Ruhe in den kleinen Gässchen umsehen. Schnell wird klar, dass auch hier nur wenige Plätze für unser Vorhaben infrage kommen. Positiv ist, dass wir keinen anderen Straßenmusikanten entdecken können, was aber auch ein Indiz dafür sein könnte, das die Stadt solcherlei Umtriebe nicht gern sieht. Diese Befürchtung bestätigt sich aber dann doch nicht. Wir holen das Äkwippment aus dem Auto und lassen uns direkt auf dem Marktplatz nieder. So langsam drängen auch die Touristen durch die Gassen und Plätze und der Markt erweist sich als gute Wahl. Hübsche Begebenheit am Rande: Ein Pärchen kommt lachend auf uns zu und singt beigeistert mit. Es stellt sich heraus, dass die beiden uns in Rudolstadt gehört hatten und wir haben sofort wieder so ein warmes Gefühl im Bauch. Zum Nachmittag ziehen wir noch mal an den Marktbrunnen um und haben gegen 15.00 Uhr zumindest zwei ZehDehs verkauft und ordentliche Münze im Hut. Bevor wir weiter nach Würzburg aufbrechen, gibt uns eine nette Rothenburgerin frisch gepressten Apfelsaft aus. Der schmeckt außergewöhnlich gut und sichert uns die Vitaminversorgung für eine ganze Woche.In Würzburg kommen wir gegen 16.00 Uhr an und finden zunächst keine Stelle, die uns wirklich gefällt. Der Ober- und Untermarkt sind zwar voller Menschen, das Ambiente jedoch ist laut und für unsere akustische Musik nicht geeignet. Eine nette Zeitungsverkäuferin empfiehlt uns die alte Brücke zum Dom. Auf der finden wir ein kleines Kneipchen mit Blick auf den Main und den Dom und beschließen, dass dies unsere Würzburger Bühne sein soll. Der Wirt hat nichts gegen Musik, die Gäste anlockt, also dürfen wir auch spielen. Die Resonanz ist bei den ersten Titeln dürftig, irgendwie brauchen die Leute immer eine gewisse Zeit, um sich einzulassen. Dann aber bleiben doch einige stehen, das Kneipchen füllt sich und unser Hut auch in Maßen. Wir müssen unser Programm zwangsweise unterbrechen, als eine Wespe Micha erfolgreich attackiert. Zwiebelsaft aus der Küche hilft und wir spielen bis gegen sechs. Da die Sonne scheint und unsere Kehlen brennen, müssen wir den Durst mit einem kühlen Bierchen stillen und nutzen die Gelegenheit, unsere daheim gebliebene Wetter-Fee Ulli zu befragen, wohin uns Petrus am nächsten Tag schickt. Petrus ist ambivalent, also beschließen wir, unserer geplanten Route rückwärts zu folgen. Wir schaffen es gerade so, um kurz vor acht bei Lidl noch Verpflegung zu fassen, und und verlassen Würzburg in Richtung Wertheim. Dort finden wir einen lauschigen Birkenhain mit Blick ins Tal. Aus den Erfahrungen der ersten Nacht haben wir gelernt, also bauen wir auch unser Zelt auf, damit der lange Frank sich ausstrecken kann. Bei der Hutzählung stellt sich heraus, dass wir den Verlust vom Vortag wieder eingespielt haben und sogar über eine kleine Reserve verfügen und sind mit unserem Tagwerk zufrieden.
Freitag, 11.07.2008
06.00 Uhr grollt und donnert es so beängstigend, dass wir unsere Zelte in Rekordzeit abbrechen und zum nahe gelegenen Autohof fahren. Freitags wird ja bekanntlich gebadet, also löhnen wir Hutgeld für die Trucker-Dusche und gönnen uns einen Kaffee nebst Bockwurst. Trotz dieser Bescheidenheit löst sich unsere Reserve vom Vortag bis 07.00 Uhr so ziemlich in Luft auf. Ab nach Wetzlar. Ein wunderschönes (Alt)- Städtchen mit vielen Plätzen, die wie geschaffen für uns sind. Aber irgendwie sind keine Leute da. Die Kellnerin im Café erklärt uns, dass Wetzlar eben unberechenbar sei. Weil wir unsere Zeit nicht damit vertun wollen, auf Publikum zu warten, machen wir uns auf den Weg nach Limburg und freuen uns, dass uns das Gewitter so früh aus den Federn geworfen hat. So haben wir zumindest nicht viel Zeit verdröselt.Limburg kannten wir schon von unserem Besuch bei der Sängervereinigung Bleidenstadt, also konnten wir uns einigermaßen zielgerichtet am oberen Ende des Marktplatzes niederlassen. Bis 14.00 Uhr musizieren wir vor ordentlich Laufpublikum, aber im Hut passiert nicht all zuviel. Also setzen wir um in die Einkaufspassage. Dort sind keine Touristen zu finden, sondern Limburger und Randlimburger, welche uns auf eine Art anschauen, die an jedem Ego kratzt. Der gegenüberliegende Juwelier schließt flugs die bis dahin offene Tür und wir brauchen wieder drei Lieder, um die Leute aus der Reserve zu locken. Aber es funktioniert: der Juwelier öffnet wieder seine Tür, die Inhaberin des Blumengeschäfts schmeißt Münzen in den Hut und freut sich offen über unsere Musik und so langsam kriegen wir auch die Limburger. Fazit: Schwerstarbeit mit mäßigem Erfolg.
Also weiter nach Frankfurt am Main. Was für ein Kontrast: von Limburgs Beschaulichkeit in die Bankenmetropole Deutschlands. Wenn man vor den Baugiganten der Banken steht kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es hier nur um die Frage geht, wer den Längsten hat... nun denn. Wir erwischen einen einheimischen Opa, der uns sehr beflissen Auskunft gibt, wo man das alte Frankfurt findet und es sich lohnt, Musik zu machen. Natürlich auf dem Römer! Von der Mitte des Platzes besingen wir Einheimische und Touristen und werden in unzumutbar-japanischer Art reihenweise fotografiert. So etwas kannten wir bisher noch gar nicht und auch wenn es anfänglich noch amüsiert, nervt es einen irgendwann. Wir beschließen deshalb, uns zukünftig mit Hinweisschildern auf Japanisch auszurüsten, auf denen die Staffel-Preise für jegliche Art Fotos (5 Euro aufwärts!) ausgewiesen sind. Wir verkaufen unsere Erste ZehDeh erstmals ins Ausland: eine englische Familie bekennt glaubhaft, dass sie unsere Musik mag. Vom Römer aus ziehen wir weiter zur Zeil, wo wir direkt vor einem Kaufhaus musizieren. Bis dahin der unromantischste Ort unserer Tour, und der sollte es auch bleiben.
Wieder schaffen wir es erst kurz vor Ladenschluss, uns mit Speis und Trank zu versorgen. Rein wirtschaftlich endet der Tag für uns schlechter, als er begonnen hat. Die Reserven sind aufgebraucht; uns bleiben gerade mal 4 Euro. Am Waldrand in der Nähe von Fischbach schlagen wir unser Nachtlager auf und fallen mit einem Kopf voller Eindrücke um.
Samstag, 12.07.2008
Unser letzter Tag, da wir am Montag leider keinen Urlaub mehr haben, also wieder (richtig) arbeiten und den Sonntag für die Rückfahrt einplanen müssen. Obwohl Köln auf dem Plan stand, haben wir uns für Düsseldorf entschieden. Als wir gegen 12.00 Uhr in der Altstadt ankommen haben wir den Eindruck, dass die Leute noch vom Freitag da sind. Wir gönnen uns ein Bier und der Wirt führt uns in die Geheimnisse der Düsseldorfer Szene ein. So erfahren wir zum Beispiel, dass es sich nicht lohnt, vor 14.00 Uhr und nach 19.00 Uhr zu musizieren, und dass man das viele Kleingeld (...mindestens 40 Euro die Stunde...") in den Kneipen wechseln kann, die dafür immer Bedarf haben. Vorweggenommen: beides stimmt nicht ganz. Zumindest in unserm Fall.Was uns bei der Suche nach geeigneten Plätzen zuerst auffällt, ist der sportlicher Wettbewerb zwischen den Straßenmusikanten. Jeder versucht, das beste Plätzchen zu erwischen und notfalls wird schon mal am Pegel gedreht, um die Konkurrenz zu verscheuchen. Aber diesen Druck halten unsere Instrumente und Stimmen für gewöhnlich aus. Zu schaffen macht uns lediglich der immer wieder mal einsetzende Regen, da die "wasserdichten" Plätze rar sind. Auf unserer Tour durch die Altstadt gelangen wir schließlich zum Burgplatz, wo wir uns vor einem leer stehenden Geschäft niederlassen, dessen ehemaliger Eingang unsere Instrumente vor Regen schützten kann. Also ein idealer Platz für Wechselwetter. Es gibt hier auch keine störenden Mitmusikanten, lediglich ein Kunde liegt zwei Eingänge neben uns und ist damit beschäftigt, einen Einkaufswagen voller Bier zu vernichten, wobei er sein Tun für die vorbeilaufenden Passanten gelegentlich laut kommentiert. Aber auf die Entfernung stört uns das wenig. Wir schmettern los und schon kommt unser bierseliger Nachbar mit seinem Einkaufswagen zu uns kuscheln. Was für ein Bild: wir biederen Freizeitmusikanten singen alte Kundenlieder, derweil neben uns das wirkliche Leben stattfindet. Die paradoxe Situation erreicht ihren Höhepunkt, als unser Kunde etwas Silbergeld in den Hut wirft, bevor er sich direkt neben uns häuslich niederlässt und in einem Affentempo seine Biervorräte schrumpfen lässt. Da erblassen selbst wir als ausgesprochene Bierliebhaber. Die Passanten werden schnell zum Publikum, aus wenigen wird eine Menschentraube und das ganze Szenario ist für die Zuhörer wahrscheinlich unheimlich amüsant.
Nach einer halben Stunden trollt sich unser Kunde, weil die Münzen des Publikums in unserem Hut landen und nicht bei ihm. Die Zuhörer bleiben, sind überaus sangesfreudig und wohlwollend. Weil man ein funktionierendes System nicht wechseln soll, bleiben wir an dem Fleckchen, bis uns ein gigantischer Umzug von Schützenvereinlern zu Pferde und auf Socken vertreibt. Schlussendlich spielen wir ein letztes mal in der Wallstraße vor einer schönen alten Gaslaterne und haben auch da viele und nette Zuhörer. Gegen 19.00 Uhr tritt die Prophezeiung des Wirts ein: der Lärm nimmt Ausmaße an, die akustische Musik unmöglich machen. Also suchen wir uns eine kleine Pizzeria, da es heute mal kein Essen aus dem SB-Markt geben soll, vielmehr laben wir uns an einer Steinofenpizza und einem kühlen Bier. So langsam sackt der ganze Tag und wir stellen fest, dass wir zwar ordentlich verdient, aber dafür auch schwer geackert haben.
Wir sehen zu, dass wir aus dem Hexenkessel der Düsseldorfer Altstadt rauskommen, versorgen uns noch mit flüssiger Nahrung und flüchten an die Rheinauen, wo wir nahe Delhofen im Tannenbusch bei einem Waldgasthaus Unterschlupf finden. Als wir zur Ruhe kommen und den Tag auswerten und nachklingen lassen, tönt aus dem Wald unheimliches Geräusch. Wir wissen nicht, was da wohnt, aber solche tierischen Laute haben wir noch nie gehört. Aber da auch das unbekannte Wesen irgendwann einschläft und Ruhe gibt, grunzen wir tief und fest bis zum Morgen.
Sonntag, 13.07.2008
Hier gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Wir starten gegen neun in Richtung Heimat, verfrühstücken an einem Rasthof die noch verbliebenen überschüssigen Gelder und geben die letzten Münzen bei McDonalds in Gera aus. Punkt zwei landen wir wieder in unserem schönen Dresden.
Musikalisch waren es vier anstrengende, aber auch sehr lustige Tage. Wir haben unsere Spielfreude nicht verloren und auch nicht bereut, uns auf den Weg begeben zu haben. Und schließlich war es eine gigantische Live-Probe, deren Erfolg sich später zeigen wird.Rein wirtschaftlich betrachtet: Wären wir gelaufen oder irgendwo mitgefahren, hätten wir von unserer Musik gut leben können. Ohne Diesel war die Sache ein Null-Summen-Spiel, wobei sich die Ausgaben in folgender Reihenfolge staffeln:
1. Bier
2. Parken
3. Essen
4. Hygiene.
Hier noch einige Zahlen: Wir sind 1818 Kilometer gefahren, haben in sechs Städten ca. 8 Stunden musiziert und mussten je Tag zwei Stunden für unseren Lebensunterhalt arbeiten.
Wir haben zwar nur vier Tage als Wandermusikanten gelebt, wollen aber trotzdem unsere Erfahrungen an evtl. Nachahmer weitergeben, damit Ihr nicht die selben Fehler macht. Also hier
Unsere Tipps für solcherart Straßenmusik:
- Ihr könnt Geld sparen und somit wahrscheinlich auch ordentlich verdienen, wenn Ihr:
- aufs Auto verzichtet und per Anhalter fahrt oder wirklich wandert, das spart Diesel und Parkgebühren
- das Hutgeld nicht gleich wieder in der nächsten Kneipe umsetzt
(war für uns aber unverzichtbar!)
- In kleineren Touristenstädtchen sollte man zwischen 11.00 und 17.00 Uhr sein Heu rein haben; in großen Städten ist ab 19.00 Uhr Party-Lärm, also auch Ende.
- Erkundet vorher die Plätzchen, wo Ihr musizieren wollt. Achtet auf den heimischen Wettbewerb (der weiß, was läuft) und beobachtet die Laufwege der Passanten.
- Macht keinen zu professionellen Eindruck, das Publikum denkt sonst, die Stadt hätte Euch zur allgemeinen Unterhaltung engagiert ("...gestern waren die Don-Kosaken da, die waren auch ganz gut...")
- Nie fragen, ob man an diesem oder jenem Ort musizieren darf, sondern frisch drauf losspielen. Grenze: wenn man andere stört. Solltet Ihr Ordnungshüter sehen, lacht sie freundlich an. Meist sind es Politessen, und die können Musikern auch nur schwer widerstehen.
- Ignoriert mitleidige Blicke, Arroganz, Hunde, Kunden und aufdringliche Zuhörer.
- Zieht Euer Programm durch; es ist kaum berechenbar, bei welchem Titel Ihr die Leute kriegt. Es ist schwer, die Passanten zu fangen, da die ja irgendein anderes Ziel haben und Ihr auf einmal im Wege seid. Wenn sie dann schon stehen bleiben, müsst Ihr das gebührend honorieren und die Menschen ansingen. Die meisten bleiben dann.
- Fertigt Euch ein Schild an, auf dem in Japanisch die Preise für Fotos stehen. Das haben wir selbst zwar noch nicht ausprobiert, finden es aber angemessen, notwendig und witzig.